Gerd Constapel & Herbert Bartmann -
Stoom / Steam
Info

Worum geht es in „Stoom / Steam“?
Stoom / Steam besteht aus drei Zyklen aus Lyrik und Musik, die – nicht nur wegen der plattdeutschen Sprache – tief in Ostfriesland verwurzelt sind, der abgelegenen nordwestlichen Ecke Deutschlands. Als übergreifendes Thema oder Motto aller drei Zyklen dient ein Zitat des fotorealistischen Malers Heiner Altmeppen: „Meine Motive… sind die von der sinnlichen Gegenwart evozierten Erinnerungen an Ausschnitte der Welt, die einmal mit unsagbarer Bedeutung aufgeladen waren, einen ganzen Lebensentwurf enthielten.“
Portrett van en Polder bi Sömmerdag
Der Blick schweift über einen fiktiven Polder, über ein gewonnen geglaubtes Land, an dessen Herkunft und einstige Bedeutung sich nur noch der Wind erinnert. Wie auf einem fotorealistischen Gemälde wird das alltägliche Leben zwischen sonntäglicher Trägheit und hektischer Betriebsamkeit an einem Montag abgebildet und zeigt die überall sichtbare moderne Hinwendung zur Beliebigkeit. Eine verlorene Seele wimmert im Dunkel einer Siedlung und erbricht sich unter der Kuppel des nachtblauen Kosmos. Am Horizont steht eine erleuchtete Fabrik, einem Tempel gleich.

Stoom
Dieser Gedichtzyklus beschreibt, einem Spannungsbogen folgend, das Land hinter dem Deich. Beginnend mit den Grautönen des Spätherbstes erstreckt er sich über die dunkle Zeit des Mittwinters bis zu den ersten lichten Zeichen des Naturerwachens in den letzten Wintertagen. Rot schimmern ferne Seezeichen am Horizont, vermeintlich festes Land verschwimmt im Zwielicht. Das Geschrei der Wildgänse klingt wie der warnende Nachruf auf vergangene Fluten. Düstere Vorahnungen auf neues Unheil beschleichen die Seelen und sie suchen Trost bei den von ihnen erdachten Göttern. Dann ein Hoffnungsschimmer. Und endlich ist er da: der erste, helle Tag.
Middsömmeravend
Dieser Zyklus erzählt von einem fiktiven ostfriesischen Fehndorf in heutiger Zeit: von eingezäuntem Weideland, nach Gülle riechender Fruchtbarkeit, besenreinen Siedlungen und Plastikfenstern im Retro-Design. Eine detailgenaue fotorealistische Abbildung, scharf wie die spiegelglatte Oberfläche eines Kanals, welche sich jeden Moment in ein Zerrbild zerkräuseln kann. Auf dem Friedhof dagegen verblassen rigoroser Ordnungssinn und Hübschigkeit, hier verharrt alles in der Stille des Vergangenen. Auf einem Stück Brachland sind Pflanzen und Tiere zurückgekehrt, die Luft ist erfüllt von Geräuschen und Düften. Dort bleiben die Menschen draußen.
Gerd Constapel
Gerd Constapel, geboren 1938 in Ostfriesland, war beruflich als Industriekaufmann im In- und Ausland tätig, bevor er in den Ruhestand ging. Heute lebt er in Leer (Ostfriesland). Er schreibt moderne Lyrik in der Regionalsprache und wurde mehrfach für seine literarische Arbeit ausgezeichnet – unter anderem zweimal mit dem Freudenthal-Preis. Darüber hinaus übersetzt er Werke aus dem Groninger Platt sowie aus dem Niederländischen. 2010 erschien sein Gedichtband „Olldagsland“. Seine Gedichte verwandeln Leserinnen und Leser in Betrachtende fotorealistischer Gemälde, die das Schöne, Hässliche, Tragische und Banale detailreich, ungeschönt und in einer unmittelbaren, lebendigen Sprache abbilden.
Herbert Bartmann
Herbert Bartmann, 1958 in Norden (Ostfriesland) geboren, brachte sich bereits in seiner Kindheit verschiedene Instrumente autodidaktisch bei. Später widmete er sich intensiv europäischen Musiktraditionen – insbesondere jenen der Sackpfeifen – und erlangte auch mit seinen plattdeutschen Liedern Anerkennung. Bereits früh in seiner Laufbahn überschritt er Genregrenzen und stellte traditionelle Rollen von Instrumenten infrage, um eigene Ausdrucksformen zu entwickeln. In jüngerer Zeit ist sein Schaffen zunehmend von Improvisation und zeitgenössischer klassischer Musik geprägt. Er lebt als freischaffender Musiker in Oldenburg, tritt mit verschiedenen Ensembles und solistisch auf und bietet Unterricht und Workshops an.
Weitere Mitwirkende
Mix und Mastering: Vlatko Kučan
Porträtfotos: Andrey Gradetchliev, privat
Landschaftsfotos: Gerd Constapel
Booklet-Gestaltung: Matthias Ramsch
Englische Übersetzung: Derek Bissenden